Wie
ein ekelhafter Parasit biss sich mein schlechtes Gewissen in mir
fest. Es ernährte sich ausschließlich von Mr Perfects Untreue.
Jedes unserer Treffen war ein Festessen für den fetten grauen Klops
in mir. Mal wurde es mir zu viel, mal war er es der es nicht mehr
aushielt seiner Freundin dies anzutun. Doch zogen wir uns an wie
fleischliche Magneten. Wiederstand war zwecklos. Er war wie eine
Droge, die schon nach dem ersten Konsum abhängig machte...
Umso
schlechter unser Gewissen wurde, desto besser wurde der Sex. Vom
Soften verleitete ich ihn ab und zu zum Harten. Wenn er mich von
hinten nahm packte er meine Haare und zog kräftig dran, dann gab es
einen heftigen Hieb auf meinen Arsch. Zwar musste ich darum bitten,
aber genau dieser Mix von sanft und hart ist das Geheimnis von gutem
Sex. Die Sicherheit, sich ganz fallen zu lassen ist das Sahnehäubchen
on top.
Trotzdem
blieb er immer etwas schnulzig. Zwischendurch musste ich ihm den Mund
zu halten, damit ich mich auf das intensive Gefühl konzentrieren
konnte. Er sah dies als Spiel. Meinetwegen... Neuerdings tat er etwas
merkwürdiges. Wenn wir miteinander schliefen, er warf seinen Kopf
gequält hin und her. Ich fragte ihn besorgt: „Was ist los?“
„Ich
kann das nicht sagen!“, bekam ich jedes Mal als Antwort. Innerlich
wusste ich was er sagen wollte. Denn mir ging es genauso. Aber ich
hatte mehr Selbstbeherrschung. Also blieb zwischen uns einiges
unausgesprochen. Worin ich jedoch kein Problem sah. Eher war es
umgekehrt der Fall. In dieser Situation Dinge zueinander zu sagen,
die dem Moment und nicht der Realität entsprachen, ist einfach nicht
richtig.
Es
war Spätsommer und eine wunderschöne klare Nacht, wie jene die man
aus dem Urlaub kennt. Draußen im Café kann man mit leichtem
Jäckchen noch einen fruchtigen Cocktail genießen, die herrlich
frische Luft einatmen und davon schwärmen wie schön das Leben doch sein
kann. Das taten meine beste Freundin und ich. Wir feierten uns
selbst. Es gibt einfach keinen besseren Grund!
Nach
unserem erfrischenden Hugo stöckelten wir von der Bar auf die andere
Straßenseite in unseren Lieblingsladen, die Falle, den ihr aus
früheren Erzählungen bereits kennt.
Leider
war und blieb es enttäuschend leer. Die gute Stimmung kam nicht auf.
Trotz Alkohol – Schock! Da Bonn mehr als einen Schuppen zu bieten
hat, beschlossen wir kurzerhand unsere Jacken da zulassen und der
Hausbar einen Besuch abzustatten. Es war Samstag und ich wusste, dass
Mr Perfect nur freitags unterwegs ist. Also konnte ich dort entspannt
feiern.
Nach
Mitternacht kühlte die Luft stärker ab als ich dachte. Selbst der
kurze Fußweg brachte mich zum zittern. Ich betrat den
Eingangsbereich und steckte gerade die Verzehrkarte in mein Täschchen,
als ich unachtsam in jemand rein rannte. Ich schüttelte verlegen den
Kopf und säuselte ein Entschuldigung daher. Als ich aufblickte traf
mich fast der Schlag. Neben Schicksal ist Timing die viel größere
Schlampe. Fuck! Meine Reaktionsfähigkeit war dank des Wodkas extrem
beeinträchtigt. „Hallo“, grinste ich schief und knickte mit
einem Bein kurz weg. Fing mich wieder und fummelte schnell als
Ablenkungsmanöver in meinen Haaren rum. Scheiße, wie sehe ich aus?
Die Antwort befindet sich versteckt in dieser Frage meine Liebe! Er
strahlte. „Baby, was machst du denn hier?“
Ich
erklärte ihm kurz die Situation und stellte ihm meine beste Freundin vor.
Sie unterhielten sich auf meiner Muttersprache. Noch so eine Sache
die ich gerne an ihm mag. Er spricht meine Sprache. „Ich
gehe mal wieder, hier laufen irgendwo Freunde meiner Freundin rum“,
sagt er mir. Um
Gotteswillen! „Süße, wir haben deinen Freund eben in der Hausbar
mit so einer brünetten kleinen Bitch gesehen!“ Das wäre es was
meine Freunde mir geschickt hätten, hätten sie meinen Freund im
Club mit einer anderen sprechen sehen. Und glaubt mir, das Detektiv
Foto wäre zwei Sekunden später gekommen. Auf meine Lieben ist eben
Verlass! Also war ich froh, dass er weg war. Leider nicht lange. Er
kreiste um mich herum wie Wespe um ein frisches Stück Kuchen. Dann
kam er zu mir. „Du siehst toll aus“, flüsterte er mir ins Ohr
als er meine Hand nahm.
Wir
tanzten an original der gleichen Stelle an der wir uns kennenlernten
haben und das erste Mal miteinander tanzten. Es war schön. Und die
Angst gesehen zu werden verflog mit jeder gemeinsamen Bewegung. Ihr
kennt sicher diesen Moment, bevor es zu einem Kuss kommt. Wenn dein
Gegenüber dir zaghaft auf die Lippen schaut, während er auf seiner
eigenen rum kaut...
„Hei,
das geht nicht“, sagte ich und trat einen Schritt zurück. Dabei
sah ich mich panisch um. Back to reality!
„Du
hast Recht!“, bestätigte er und sah deprimiert zu Boden. Es war
schon spät und zum Glück musste ich vor Ladenschluss meine Jacke in
dem anderen Club holen. Ich verabschiedete mich und holte meine
Freundin um die Ecke bei ihren Bekannten ab.
Wir
tranken in der Falle noch ein Glas und holten dann unsere Jacken ab.
Ich zog sie vorm Ausgang an und trat die kleine Stufe runter in den
jungen Tag hinein. Wir wollten nach rechts zum Auto, als ich Mr
Perfect auf einmal da stehen sah. Anscheinend ist er mir nach und hat
vor der Discothek auf mich gewartet. Meine Freundin rollte mit den
Augen. „Soll ich dich Heim bringen?“, fragte sie obwohl wir beide
die Antwort schon kannten. „Fahr ruhig, ich komme schon nach
Hause.“ Dann ging ich zu ihm. „Hei
Baby“, hauchte er.
Die
Wolken wurden lila und die Vöglein begrüßten den Tag mit
fröhlichem Gezwitscher während wir die ungewohnt menschenleere
Sternstraße Hand in Hand entlang torkelten.
Was
ich hier aufschreibe habe ich ihm nie gesagt. Denn er hätte es als
„betrunkenes Geschwätz“ abgetan. Damit hätten wir den Beweis,
dass das Sprichwort Betrunkene und kleine Kinder sagen die Wahrheit,
einfach für den Arsch ist.
„Meine
Mutter würde dich lieben!“, platze es aus ihm heraus. Ich blieb
stehen, drehte mich zu ihm um, hielt ihm den Zeigefinger vor die
Nase. „Sag das nicht!“, meinte ich wütend.
„Doch,
das würde sie!“
Was
soll der Scheiß, Mann? Seine Mutter soll seine Freundin lieben! Er
machte weiter. Ich sage ja er hat einen Hang zum dramatischen.
„Hör
auf damit, bitte!“, flehte ich.
„Ich
will mit dir in den Urlaub, in deine Heimat!“ Ich ließ ihn einfach
weiter erzählen... „Ich will dich rund um die Uhr bei mir haben!“
Bla, bla, fuckin´ bla.
Mal
ehrlich, ich kenne solche Männer die einem jeden Scheiß erzählen
nur um mich dann ins Bett zu bekommen. Aber er hatte mich ja bereits.
Wieso gab er sich also so eine Mühe?
Mir
kam sein Satz: Es ist mehr als Sex, wieder ins Gedächtnis. Hatte ich
etwa eine Affäre mit Dr. Jekyll und Mr Hyde? Dem Nüchternen der
kühl und distanziert ist.
Und
dem Betrunkenen der das ausspricht, was sich der Nüchterne sich
nicht traut oder nicht wahr haben will? Mir schwirrte der Kopf. Für
meinen Verstand war die Sache klarer als ein eisgekühltes Glas
Belvedere Wodka: Dieser Mann ist ein perfekter Schauspieler. Mein
Bauch und mein Herz waren jedoch in der Überzahl und verbündeten
sich gegen mein Hirn. Die beiden hofften ins Geheim, dass all das
was der Betrunkene sagte wahr war. Ich plädiere auf
Unzurechnungsfähigkeit! Dieses ätzende Battle spielte sich bis vor
kurzem immer noch in mir ab.
Nach
der Odyssee an Beweihräucherungen durch die halbe Bonner Innenstadt,
waren wir endlich bei mir angekommen. Ich war müde und wollte nicht
mehr über all das nachdenken. Ich brauchte einen feinen goldenen
Schuss – den perfekten Orgasmus.
Als
wir gerade bei der Sache waren warf er wieder seinen Kopf zur Seite.
Als würde er mit aller Kraft unterdrücken, was da auch immer raus
wollte. Ich streichelte sein Gesicht, fuhr über den struppigen Bart.
„Alles ist gut“, beruhigte ich ihn. Er
hielt inne.
„Ich
liebe dich“, flüsterte er als er mir tief in die Augen sah.
Spielte Wodka mir einen Streich oder habe ich das grade wirklich
gehört? Pause. Wie er mich ansah, verriet mir dass es keine
alkoholische Halluzination war. Mein Herz gab meiner vorhin erwähnten
Selbstbeherrschung einen fetten Tritt in den Arsch. „Ich liebe
dich“, antwortete ich.
Gerade
als ich diese zwölf kleinen Buchstaben aussprach, sprang ich im
Geiste hoch, hopste auf meinem Bett herum und versuchte verzweifelt
wie in Zeitlupe Letter für Letter einzufangen. Doch ich war zu
langsam. Viel zu langsam. Die Buchstaben wurden von seinem Ohr
aufgesaugt und formten sich im Hirn zu Wörtern. Fuck!
Das
alles glich einer Naturkatastrophe, einem kleinen Dorf in den Alpen,
das von einer Lawine überrollt wurde, dessen Ursprung ein
klitzekleiner Fehler eines ziemlich dummen Bergsteigers war. Der
Bergsteiger, alias mein Herz, ging bei der ganzen Sache mit unter.
Das
weiße Rauschen verwandelte sich in schwarze Stille.
Fortsetzung
folgt...
Cheers!