Sonntag, 2. November 2014

Nackt



Kennt ihr die Szene in dem Indiana Jones Film, wo er einen Diamanten klauen möchte und sachte und mit seinem speziellen Indiana Jones Geschick den Diamanten blitzschnell mit einem Stein austauscht? Damit die ganze Maya Bude (oder was das war) nicht zusammen stürzt. Und siehe da, der Trick funktionierte. Als Kind war ich fasziniert von dieser Art Dinge zu ersetzten. Und so adaptierte ich diese Vorgehensweise. Die Maya Höhle war mein Hirn und ich war Indiana Jones.
Nur das sich keine Diamanten klaute, sondern einfach bestimmte Dinge in meinem Leben austauschte. Bevorzugt Männer.

Und so wand ich mein Geschick wieder an, als es um Mr. Perfect ging. Ich tauschte den besetzten „immerzu-an-jemanden-denken“ Platz durch den Mann den ich bei einer schicksalhaften Begegnung an einem Wochenende in der Heimat wieder traf aus.

Ich stand betrunken auf der Tanzfläche und feierte meine Freunde und mich. Es war der Stammclub von Mr. Perfect, doch er war zu meiner Erleichterung und gleichermaßen Enttäuschung nicht da. Und so sah mich ein anderer Mann an, den mein Alkoholvernebeltes Hirn zu Beginn nicht zuordnen konnte. Doch dann. Es war – und an dieser Stelle überlege ich mir einen Namen für ihn. Doch mir fällt keiner ein. Ausser: Pussy. Denn er ist einfach eine Pussy. Wieso erfahrt ihr im Lauf der Geschichte ...

Ich lernte ihn vor über einem Jahr in dem gleichen Schuppen kennen. Damals feierten meine Kollegen und ich einen Geburtstag. Es war ein richtig toller Abend und wir hatten jede Menge Spaß. Den Fuck-it-Drink hatte ich längst hinter mir und wenn ich an einem bestimmten Punkt des Betrunkenseins angekommen bin, dann muss ich knutschen. Egal wen. Also drehte ich mich kurzerhand um, schnappte mir das nächste Gesicht, dass mich ansah und begann es wild abzuknutschen.
Bisher hatte ich bei diesen Aktionen immer Glück, dass es sich dabei nicht um einen Zombie, einen Typ mit Freundin (welche daneben steht) oder eine Frau handelte.

„Wow!“, sagte mein Gegenüber als er für einen Augenblick Luft holen durfte. Ich sah rüber zu meinen Freunden. Die das ja alles bereits von mir kennen. Doch sie schüttelten den Kopf. Heißt: er sieht scheisse aus! Verwirrt blickte ich ihn wieder an. Neeeeein, er war süß! Nicht mein Typ, aber ganz süß. Wie ein Teil von Esprit, nicht mein Stil, aber man kanns ja mal anprobieren oder?
Also knutschten wir den ganzen Abend weiter. Und dateten uns sogar anschließend. Was dem Kauf eines Esprit-Kleidungsstückes gleichen würde. Mich mit einer Party-Knutscherei treffen? Mmmh, mache ich sonst nie. Aber er war eben auch ohne Alkoholeinfluss süß. Es sind immer die Männer die nicht dein Typ sind. Diese werden mir immer gefährlich. Schwups, war ich verknallt. Und zwar tierisch. Alles lief darauf hinaus, dass wir ein Paar werden würden. Doch außer knutschen lief nichts. So ist es eben, wenn ich jemanden wirklich mag.

Eines Abends waren meine Freundinnen und ich auf einer Freiluft-Party. Im Sommer unter freiem Himmel feiern und Cocktails schlürfen ist einfach toll. Ich textete mit der Pussy und anhand meiner Schreibe, erkennte er wohl den Alkohol-Gehalt in meinem Blut. Dabei kann ich mich eigentlich immer gut zusammenreißen. Aber das denke ich bloß nur. Genau so, wie ich denke, dass es meinen Eltern nie auffällt wenn ich voll bin. Jedes mal klopfe ich mir auf die Schulter und denke gut geschauspielert, bis meine Mutter am nächsten Tag fragt wie viel ich denn dieses Mal wieder intus hatte.
Nun ja zurück zu der kleinen Pussy (man erkennt sicher die Wut die in mir brodelt). Er meldete sich daraufhin einfach nicht mehr und blockierte mich auf allen Kanälen. Hä, was habe ich bloß falsch gemacht? Aber okay.

Ein paar Monate später sah ich ihn erneut beim Feiern. Ich hatte die Eier ihm Hallo zu sagen. Doch er brach in Tränen aus, im Club. Im Club! Schöne Scheisse und was nun? Meine Freundinnen sahen mich verwirrt an. In meiner Freundlichkeit umarmte ich ihn, aber nur damit niemand sieht, dass er heulte wie ein Mädchen.
„Du bist so wundervoll!“, schniefte er. „Was ist den bloß los?“, wollte ich wissen.
Aber er erzählte mir nur wie toll ich doch bin und weinte weiter. Mit dem Versprechen ihm meine Nummer erneut zu geben konnte ich ihn endlich beruhigen und verließ sofort den Club.

Wir dateten uns wieder. Er war süßer denn je. Brachte mir eine volle Tüte mit meinen liebsten Süßigkeiten vorbei. Dann beichtete er mir endlich was vorher los war, wieso er einfach so den Kontakt abbrach. Ihm passte es nicht, dass ich angetrunken war. Soll ich es noch mal für euch wiederholen? Gerne. Ihm passte es nicht, dass ich angetrunken war. Ihr könnt es immer noch nicht glauben? Tja, ich auch nicht. Bedenke man bitte wie wir uns kennen gelernt haben. Oder vielleicht deshalb? Ich sah mich schon in zwei Jahren verheiratet. Kinder. Zwei. Idiot! Du warst nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Diese Tatsache machte mich selbsterklärte Miss Independent so wütend, dass diesmal ich ihn zum Teufel schickte.


Da wären wir bei meinem letzten Besuch in der Heimat. Er lächelte mich an. Ich legte den Kopf schief, schloss die Augen und lächelte. Er kam zu mir rüber. „Weißt du wie sehr ich jedes Mal hoffe dich hier zu sehen?“, flüsterte er mir ins Ohr. Er hatte sich kaum verändert. Er war nicht groß, hatte eine schlanke Figur, ein tolles Lächeln, dunkle kurze Haare und stahlblaue Augen.
Seine Worte, hätte ich mir aus Mr. Perfects Mund gewünscht zu hören. Und da hatte ich ihn. Meinen Stein!!! Er erzählte mir weiter wie toll ich bin und ich packte ihn einfach am Hemd, zog ihn zu mir rüber und küsste ihn.
Am nächsten Tag musste ich wieder zurück. Aber wir blieben in Kontakt und beschlossen es erneut miteinander zu probieren. Trotz der Entfernung oder vielleicht gerade deshalb könnte es funktionieren.

Immer noch lief nichts, ausser küssen. Manchmal wurde der Gute bei der Schreiberei ein wenig anzüglich. Was ich ihm nicht zugetraut habe, schließlich war er ja eine Pussy. Aber es gefiel mir. Dieser Mann war der erste, vor dem ich mich ganz auszog ohne ein Kleidungsstück abzulegen. Ich offenbarte ihm meine Kuriositäten, die nur wenige Menschen kennen oder gar niemand. Ich vertraute ihm meine tiefsten Geheimnisse und Spinnereien an. Beispielsweise, dass ich eine kleine Narbe am Hintern habe, die von einer misslungenen Kinderimpfung stammt.
Er war quasi besessen von meinem Arsch und wollte immerzu Bilder von ihm haben. Doch und gerade weil ich ihn so mochte bekam er immer nur „bekleidete“ Po Bilder von mir. Ich fands okay, schließlich war er ja mein fester Freund in Spee. Bis er eines Tages – womöglich hatte die Pussy ihre Tage – ausflippte. „Wer hat wohl noch solche Bilder von dir?“
Bitch what? Also lügen und sagen keiner, hätte nichts gebracht. Natürlich gibt es in Zeiten von Whatsapp Männer mit denen ich was hatte und die Bilder von meinem Arsch besitzen. Na und? Steht ja nicht mein Name drauf oder? Kann der Arsch von jeder sein. Und ich will nichts von Kontroversen zum Thema Anonymität im Netz und so hören. Weiß ich alles. Ist mir egal.

Jedenfalls brach er erneut einfach so wieder den Kontakt zu mir ab und blockierte mich. Ich weinte kurz. Nicht wegen ihm. Sondern weil ich so viel Preis gegeben hab. Damit meine ich nicht die Bilder. Damit meine ich meine kleinen Geheimnisse. Die mir viel mehr bedeuten als Nacktheit. Denn das ist nur meine Hülle.

Bisher waren es wohl keine echten Diamanten, da da auf dem beleuchteten Sockel in meinem Hirn lagen und den „immer-zu-an-jemanden-denken“ Platz zu unrecht einnahmen. Es ist nichts passiert. Die Höhle stürzt nicht ein.  
Ich beschließe, diesen Platz nun leer zu lassen. Und ihn erst dann wieder zu belegen, wenn ich einen echten Diamanten gefunden hab. 

Cheers!

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